Fitnessstudio-Vertragsrecht


Laufzeitregelung und Wohnortwechsel

AG Köln, Urteil vom 18.12.2012 - 134 C 211/12


Der Wohnortwechsel begründet keinen Grund zur fristlosen Kündigung des Vertrages mit dem Betreiber des Fitnessstudios, da dieser alleine in die vom Nutzer zu beeinflussenden Risikosphäre fällt. 


Eine Vertragslaufzeit von 24 Monaten ist nicht unangemessen. § 309 Nr. 9 BGB erfasst diese Art Verträge nach dem gesetzgeberischen Willen nicht, weshalb hier auch nicht über die Generalklausel des § 307 Abs. 1 BGB die Regelung beurteilt werden kann.



Urteil im Wortlaut:


134  C  211/12

Verkündet am 18.12.2012

  

Amtsgericht Köln 

 

 

IM NAMEN DES VOLKES 

 

 

Urteil

 

 

 

 

ln dem Rechtsstreit

 

 

der XXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXX,

Klägerin

 

 

Prozessbevollmächtigter:                                 Rechtsanwalt Niehus, Ralf, Gerbermühlstr. 9,

60594 Frankfurt, g e g e n

 

Herrn XXXXXXXXXXXXXXXXXXXX Köln,

 

Beklagten,

 

 

hat das Amtsgericht Köln

auf die mündliche Verhandlung vom 13.11.2012 durch den Richter Dehmer

 

für Recht erkannt:

 

 

 

I. Der Beklagte wird verurteilt , an die Klägerin 267 ,50 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus je 53,50 Euro seit dem 03.04.2012 und dem 03.05.2012 und aus 160,50 Euro seit dem

02.06.2012 sowie 5,00 Euro vorprozessuale Kosten zu zahlen .

 

 

 

II. Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Beklagten auferlegt.

 

 

111. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

  

Tatbestand

 

 

 

-entfällt gem. § 313a ZPO-

 

 

 

Entscheidungsgründe

 

 

 

Die zulässige Klage ist begründet.

 

 

 

A. Der Klägerin steht gegen den Beklagten ein Anspruch auf Zahlung in Höhe von 267,50 Euro aus dem zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag über die Nutzung des Fitnessstudios der Klägerin zu, § 311 BGB.

I.  Unstreitig ist zwischen den Parteien am 03.08.2010 ein solcher Vertrag

geschlossen worden .

 

II.  Dieser wurde nicht durch das Kündigungsschreiben des Beklagten vom 19.03.2012 zum 31.03.2012 beendet. Denn dieses Schreiben stellt keine wirksame außerordentliche Kündigung dar.

1. Unabhängig von der rechtlichen Einordnung eines Fitnessstudio-Vertrags als Miet-, Dienst- oder typengemischter Vertrag handelt es sich dabei um ein Dauerschuldverhältnis , bei dem dem Kunden ein Recht zur außerordentlichen Kündigung aus wichtigem Grund zustehden Vorschriften der§§ 626 I, 543 I und 314 BGB kommt der von Rechtsprechung und Lehre entwickelte allgemeine Grundsatz zum Ausdruck, dass den Vertragsparteien eines Dauerschuldverhältnisses stets ein Recht zur außerordentlichen Kündigung bei Vorliegen eines wichtigen Grundes zusteht (Gaier, in: MünchKomm-BGB , § 314 Rdnr. 1; Palandt!Grüneberg, BGB, 71. Aufl. , § 314 Rdnr. 1).

2. Allerdings fehlt es Voraussetzung für eine außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund ist, dass dem Kündigenden die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen bis zur vereinbarten Beendigung nicht zugemutet werden kann, § 314 BGB. Dies ist im Allgemeinen nur dann anzunehmen, wenn die Gründe, auf die die Kündigung Kündigungsgrund hingegen aus Vorgängen hergeleitet, die dem Einfluss des Kündigungsgegners entzogen sind und aus der eigenen Interessensphäre des Kündigenden herrühren, rechtfertig dies nur in Ausnahmefällen die fristlose Kündigung. Die Abgrenzung der Risikobereich ergibt sich dabei aus dem Vertrag , dem Vertragszweck und den anzuwendenden gesetzlichen Bestimmungen (BGH MDR 2011, 148). Der Beklagte stützt seine Kündigung hier auf einen WohnsitzwechseL Dies reicht nach den aufgestellten Kriterien aber nicht als wichtiger Grund aus. Zwar hat der Nutzer eines Fitnessstudios , der dieses infolge eines Wohnsitzwechsels nicht mehr nutzen kann, ein nachvollzie.hbares Interesse daran, kein Entgelt mehr entrichten zu müssen . Nach den vom BGH aufgestellten Grundsätzen hat jedoch der Kunde, der einen längerfristigen Vertrag über die Erbringung einer Leistung abschließt , grundsätzlich das Risiko zu tragen , die Leistung aufgrund einer Veränderung seiner persönlichen Verhältnisse nicht mehr nutzen zu können. Dementsprechend stellt ein Umzug keinen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung dar. Die Gründe für einen solchen Wohnsitzwechsel liegen allein in der Sphäre des Leistungsempfängers und sind vom Anbieter nicht beeinflussbar (BGH a.a.O.).

3. Das Kündigungsschreiben beendete daher den zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag erst z.2enn der Vertrag sollte ab dem 01.09.2010 beginnen und hatte eine vertragliche Laufzeit von 24 Monaten. Da de Vertrag allerdings am 03.08.20 10 geschlossen wurde, ergibt sich sogar noch eine etwas längere Vertrags Laufzeit. Dennoch ist diese Vertragslaufzeit wirksam vereinbart worden.

a.  Zwar handelt es sich bei der vereinbarten Vertragslaufzeit um eine vorformulierte

 Vertragsbedingung und unterliegt daher der Inhaltskontrolle nach §§ 307 ff. BGB.

b.  Zwar sieht § 309 Nr. 9 BGB eine spezielle Regelung für die Wirksamkei t von Klauseln über die Vertragslaufzeit bei Dauerschuldverhältnissen , die in AGB enthalten sind, vor. § 309 Nr. 9 BGB erfasst jedoch lediglich Vertragsverhältnisse , die die regelmäßige Lieferung von Waren oder die regelmäßige Erbringung von Dienst­ oder Werkleistungen durch den Verwender zum Gegenstand haben und findet deshalb auf Gebrauchsüberlassungsverträge grundsätzlich keine Anwendung (Christensen , in: Ulmer/Brandner/Hen.sen , AGB-Recht, 11. Aufl. , § 309 Nr. 9 BGB Rdnr. 6 m. w. Nachw.; vgl. auch Senat, NJW1997 , BGH NJW 1997, 739).

 Der zwischen den Parteien abgeschlossene Vertrag über die Nutzung des von der Kl. betriebenen Fitnessstudios ist als ein Gebrauchsüberlassungsvertrag zu qualifizieren , der nicht vom Anwendungsbereich des § 309 Nr. 9 BGB erfasst wird. Zwar wird teilweise die Auffassung vertreten , der Vertrag über die Nutzung eines Fitnessstudios sei als typengemischter Vertrag zu qualifizieren, der neben mietvertragliehen auch dienstvertragliche Elemente enthalte , weil der Setreiber des Studios nicht nur die Nutzung der Räumlichkeiten und der bereitgestellten Sportgeräte schulde, sondern sich auch zur E'rbringung weiterer Leistungen wie etwa die Einweisung des Kunden in den Gebrauch der Geräte, ihn zu beraten und zu beaufsichtigen , verpflichte (vgl. Graf v. · Westphalen, in: ders.,VertragsR u. AGB-Kiauselwerke , Fitness- u. Sportstudiovertrag [2010] Rdnr. 1; Christensen, in: Ulmer/Brandner/Hensen , Teil 2 [Sportstudioverträge] Rdnr. 1; Damman , in: Wolf!Lindacher!Pfeiffer, AGB-Recht , 5. Aufl., Klauseln [Fitnessstudiovertrag] Rdnr. F 21; OLG Düsse/dorf,NJW-RR1995, 55; OLG Gelle, NJW-RR1995 , 370; OLG Hamm , NJW-RR1992, 242) .

 Im vorliegenden Vertrag sind die dienstvertragliehen Elemente allerdings nur von solch untergeordneter Rolle, dass sich daraus keine Qualifizierung des Vertrages als Dienstvertrag herleiten lässt. Der Vertrag ist expressis verbis mit "Vertrag zur Nutzung der Einrichtung" überschrieben. Zwar hat dies lediglich indizielle Bedeutung, da maßgeblich die Frage ist, was zwischen den Parteien vereinbart wurde . Jedoch lässt sich dem Vertrag    ansonsten keine. weitere Verpflichtung                            der  Klägerin entnehmen , als die Einrichtung zum Gebrauch zu überlassen. Daran ändert sich auch durch das Kursprogramm der Klägerin nichts, denn im Vertrag findet sich kein Anhaltspunkt dafür, dass die Klägerin deren Durchführung schulden soll. Selbst wenn dies anders wäre , rde sich dadurch nichts ändern, denn angesichts der vertraglichen Regelung, spielte das Kursangebot lediglich eine untergeordnete Rolle. so dass der Schwerpunkt des Vertrages immer noch in der Gebrauchsüberlassung läge. Soweit für die Nutzung der Geräte im Einzelfall eine Einweisung durch Personal der Klägerin erforderlich sein sollte, schuldet sie diese als bloße Nebenleistungen (BGH     NJW     2012,     1431). Wesentlicher      Inhalt    des    Vertrags     ist    daher    das Zurverfügungstellen der Fitnessgeräte und die Nutzung der Räumlichkeiten des Fitnessstudios, so dass jedenfalls im hier zu entscheidenden Fall der Vertrag über die Nutzung des Fitnessstudios der Klägerin als Gebrauchsüberlassungsvertrag einzustufen   ist.

 c) Die Vertragslaufzeit von hier effektiv etwas mehr als 24 Monaten verstößt auch nicht gegen § 307 I BGB. In der Rechtsprechung und im Schrifttum wurden unterschiedliche Auffassungen dazu vertreten,  welche Erstlaufzeiten durch vorformulierte Vertragsbestimmungen in Sport- und Fitnessstudio-Verträgen der Inhaltskontrolle nach § 307 I 1 BGB stand halten. OLG Gelle, NJW-RR 1995, 370; OLG Hamm, NJW-RR 1992, 243; LG Saarbrücken, NJW-RR 1990, 890; AG

 

 Brandenburg, NJ 2004, 38; AG Langen, NJW-RR1995 , 823; Graf v.

 

Westphalen,

Fitness-     u.    Sportstudiovertrag      Rdnr. 17; Damman,      in:    Wolf!Lindacher/Pfeiffer

'

Klauseln [Fitnessstudiovertrag] Rdnr. F 25; K.ieninger , in: MünchKomm-BGB , 5. Aufl., § 309 Nr. 9 Rdnr. 16). Teilweise wurde auch die Möglichkeit bejaht, Erstlaufzeiten von bis zu zwölf Monaten und mehr durch · eine vorformulierte Vertragsklausel zu vereinbaren (vgl. LG Mönchengladbach,NJW-RR2004, 416; AG Brandenburg , NJOZ 2003, 3374; Christensen,in: Ulmer!Brandner/Hensen,Teil2 [Sportstudioverträge] Rdnr. 4). Erstlaufzeiten von 24 Monaten wurden bislang in der Rechtsprechung nur vereinzelt für zulässig erachtet (LG Aachen, Urt. v . 20. 12. 2007- Az.: 6 S 199/07; LG Kiel, Urt. v. 28. 10. 2004- Az.: 1 S 141/04).

 

Mittlerweile ist diese Streitfrage vom BGH allerdings geklärt worden. Eine Erstvertragslaufzeit von 24 oder sogar mehr Monaten ist nicht wegen Verstoßes gegen§ 307 I BGB unwirksam (BGH NJW 2012, 1431), denn der Gesetzgeber hat in § 309 Nr. 9a BGB angeordnet, dass eine Klausel unwirksam ist, die bei einem

 

Vertragsverhältnis über die regelmäßige Lieferung von Waren oder die regelmäßige Erbringung von Dienst- oder Werkleistungen eine den anderen Vertragsteil länger als zwei Jahre bindende Laufzeit des Vertrags vorsieht. Durch diese Regelung sollte die Entscheidungs- und wirtschaftliche Dispositionsfreihe it des Kunden geschützt werden , die bei einer langfristigen Bindung an einen Vertrag besonders beeinträchtigt sein kann, ohne dass die Notwendigkeit einer langen Vertragslaufze it durch die Natur des Vertrags vorgegebe n ist (BT-Dr 7/3919 . S. 37: Christensen, in: Ulmer!Brandner!He nsen, § 309 Nr. 9 BGB Rdnr. 1). Obwohl die Dispositionsfreiheit eines Vertragspartners des Verwenders bei jeglich er Art von langfristiger Vertragsbindung eine erhebliche Einschränkung erfährt , hat der Gesetzgeber den Anwendungsbereich des § 309 Nr. 9a BGB jedoch nicht auf alle Dauerschuldverhältnisse, sondern nur auf Vertragsverhältnisse über die regelmäßige Lieferung von Waren oder die regelmäßige Erbringung von Dienst- oder Werkleistungen erstreckt. Insbesondere Gebrauchsüberlassungsverträge wurden dabei bewusst vom Anwendungsbereich dieses Klauselverbots ausgenomme n (vgl. BT-Dr 7/3919, S. 37).

Diese in § 309 Nr. 9a BGB zum Ausdruck gekommene Regelungsabsicht des Gesetzgebers ist auch bei der nach § 307 I BGB vorzunehmenden Abwägung zu berücksichtigen, ob durch eine vorformulierte Laufzeitklausel eine unangemessene Benachteiligung des Kunden gegeben ist. Das schließt zwar nicht aus, dass eine Klausel, die nach ihrem Regelungsgehalt in den Anwendungsbereich der Klauselverbote fällt, mit den in Betracht kommenden Einzelverboten aber nicht kollidiert , nach der Generalklausel des § 307 I BGB unwirksam sein kann (BGH NJW 1997, 739). Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass sich die unangemessene Benachteiligung des Kunden nicht allein aus den Nachteilen einer langfristigen Vertragsbindung ergibt, die der Gesetzgeber bei der Schaffung des § 309 Nr. 9a BGB im Blick hatte. Da es unzulässig ist, auf Grund allgemeiner Überlegungen, die sich nicht aus den Besonderheiten gerade des zu beurteilenden Vertrags ergeben, über die Generalklausel die gesetzgeberische Regelungsabsicht geradezu "auf den Kopf zu stellen" (BOH NJW 1997, 739), muss sich die Unangemessenheit einer Laufzeitklausel aus besonderen, von der Verbotsnorm nicht erfassten Gründen ergeben (BGH NJW 2012, 1431). Solche sind hier weder vorgetragen noch ersichtlich. Damit kommt es auch auf die Frage, ob im vorliegenden Fall die Vertragslaufzeit ab dem 03.08.2010 oder dem 01.09 .2010 zu berechnen wäre , nicht an.

4. Der Beklagte schuldet daher noch die Monatsbeiträge für die Monate April bis 2012 die Mitgliedsbeiträge Unstreitig beträgt der monatliche Beitrag seit dem Euro.            Da der     Beklagte mit Wirkung     zum   Einzugsermächtigung der Klägerin widerrufen hatte, erhöhte sich das Entgelt gern Ziff . 5 der zwischen den Parteien vereinbarten Vertragsbedingungen um 6,00 Euro Damit ergibt sich ein Monatsbetrag von 53,Es errechnet sich daher die tenorierte Forderung von 267,50 Euro (5 x 53,50 Euro).

5. Der Zinsanspruch ergibt sich aus§§ 288 I, 286 5 der zwischen den Parteien vereinbarten Vertragsbedingungen .

 

B. Die vorgerichtlichen Kosten in II, t der Zahlung des Beitrages für April 2012 in Verzug . Die Kosten für die Mahnschreiben sind daher zu ersetzender scheinen auch nicht übersetzt, so dass hier kein Verstoß gegen§ 254 BGB erkennbar

 

C. Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 91 ZPO , ,

 

 

 

DerStreitwert wird festgesetzt auf     67,50 Euro.

 

 

Dehmer

 

 


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