Hochschulrecht


Private Universität: Rückzahlung von Kosten bei Immatrikulation ohne Vorliegen der Voraussetzungen

LG Wiesbaden, Urteil vom 08.05.2013 - 8 O 21/13


Der Kläger schrieb sich bei der Beklagten, einer privaten Hochschule, als Student für ein Masterstudium ein, ohne dass er von der Beklagten darauf hingewiesen wurde, dass sein Schulabschluss (in Großbritannien) einem derartigen Studium und Abschluss entgegensteht. Nach Abschluss des Vertrages wurde dem Kläger die Immatrikulation im Hinblick auf den benannten Umstände versagt. Die Klage auf Erstattung der an die Beklagten erbrachten Leistungen wurde in diesem Umfang stattgegeben.



T e n o r: 

 

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger EUR 6.544,- zzgl. Zin­ sen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 29.12.2012 sowie EUR 603,93 vorgerichtliche Kosten zu zah­ len. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits haben zu 85 % die Beklagte und zu 15 % der Kläger zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für den Kläger jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstre­ ckenden Betrages. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Si­ cherheitsleist1,.mg in Höhe von. 110 % des aufgrund des Urteils voll­ streckbaren Betrages abwenden, sofern die Beklagte nicht Sicher­ heit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

 

Ta t b e s t a n d: 

 

Die Beklagte betreibt eine private Universität, an der gemäß § 91 Hess·i­ sches Hochschulgesetz Studenten auf privatrechtlicher Grundlage stu­ dieren dürfen. 

 

Mit der Klage begehrt der Kläger die Rückzahlung von 7.334,00 €, die er im Zusammenhang mit seinem bei der Beklagten begonnen Studiengang “Bachelor of Science” - in General Management (BSc)" geleistet hat sowie die Erstattung von 172,55 € für Fachbücher und Fahrtkosten in Höhe von 180,00 € für 12 Heimfahrten vom Studienort in Oestrich-Winkel nach Hochheim am Main. Insgesamt begehrt der Kläger 7.686,55 € sowie die Erstattung von vorgerichtlichen Anwaltskosten in Höhe von 661,16 €, die er bereits an seine Anwälte geleistet hat.

 

Hinsichtlich der einzelnen Zahlungen an die Beklagte wird auf den Vor­ trag in der Klageschrift (Blatt 3 d. A.) Bezug genommen. Gleiches gilt für die Berechnung der vorgerichtlichen Anwaltskosten (Blatt 4 d. A.). 

 

Der Kläger verfügt über einen IB-Schulabschluss und bewarb sich damit bei der Beklagten für den oben erwähnten Studiengang. 

 

Am. 21.02.2012 teilte die Beklagte dem Kläger per E-Mail mit, dass er alle Zulassungskriterien  erfüllt habe und zum Aufnahmeverfahren  der EBS Business School zugelassen wurde (Anlage K 5, Blatt 48 ff. d. A.). 

 

Am 20.04.2012 schlossen die Parteien den Studienvertrag, auf den voll­ umfänglich Bezug genommen wird (Anlage K 1, Blatt 6_ ff. d. A.). Am Fol­ getag bestand der Kläger die Aufnahmeprüfung  und wurde darauf hin zum Studium ohne Einschränkung zugelassen.

 

Mit Schreiben vom 11.05.2012 (Anlage K 6, Blatt 52 f. d. A.) übersandte die Beklagte dem Kläger ein Merkblatt, welche Unterlagen er für die An­ erkennung seines IB benötige und bat darum, ihr diese Unterlagen ein­ zureichen, damit sie - die Beklagte - die Anerkennung beim Ministerium beantragen könne. Auch auf das Merkblatt (Anlage K 7, Blatt 53 d. A.) wird vollumfänglich Bezug genommen. D.arauf wurde durch die Beklagte handschriftlich ergänzt „liegt bereits vor'', was sich auf das IB-Diplom als benötigte Unterlage bezieht. Tatsächlich verfügt der Kläger nicht über ein solches anerkennungsfähiges  IB-Diplom, sondern lediglich über IB­ Certificat, auf welches ebenfalls verwiesen wird (Anlage K 4, Blatt 47 d. A.) . Er wurde immatrikuliert und begann .sein Studium mit Vorlesungs­ veranstaltungen etc. am 27.08.2012. Um die Gleichwertigkeitsanerken­ nung seines Schulabschlusses  mit dem deutschen allgemeinen Abitur oder der fachgebundenen  Hochschulreife bzw. einem gleichwertig offi­ ziell anerkannten Abschluss, kümmerte sich zunächst keine der Parteien. 

 

Am 28.08.2012 wandte sich die Beklagte per E-Mail an den Kläger mit dem Hinweis, es fehlten noch Prüfungen für eine erfolgreiche Anerken­nung.

 

Mit E-Mail vom 20.11.2012 (Anlage K 2, Blatt 16 d. A.) widerrief die Be­ klagte die Immatrikulation des Klägers mit der Begründung, dass nun­ mehr die verbindliche Aussage oes Hessische Kultusministeriums vorlie­ ge, dass der Ausgleich der Noten bei ihm nicht möglich sei, was dazu führe, dass derzeit eine Gleichwertigkeitsanerkennung  seines IB­ Zeugnisses nicht erfolgen könne. Die E-Mail endet mit dem Angebot, im Folgejahr ohne erneute Aufnahmeprüfung wiede·r in das erste Semester einsteigen .zu können, wenn er die Anerkennung seines Abschlusses erhalten  habe.

 

Mit Schreiben vom 17.12.2012 forderten die Prozessbevollmächtigten des Klägers die Beklagte zur Zahlung der streitgegenständlichen  Positi­ onen bis zum 28.12.2012 auf. Eine Zahlung erfolgte nicht. 

 

Der Kläger vertritt die Rechtsansicht , die Beklagte habe ihre Aufklä­ rungspflicht ihm gegenüber verletzt . Sie hätte ihn schon deshalb nicht zum Studium zulassen dürfen, da die Zulassungsvoraussetzungen er­ sichtlich von Anfang an nicht erfüllt gewesen seien. Die Beklagte hätte dies von Anfang an erkennen können, da er ihr die g·esamten relevanten Unterlagen auch betreffend seinen Schulabschluss - unstreitig - zur Prüfung überlassen habe.

 

Der Kläger beantragt, 

die Beklage zu verurteilen, an den Kläger 7..686,55 €zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen ge­ setzlichen Basiszinssatz seit dem 29.12.2012 sowie 661,16 € vorgerichtliche Kosten zu zahlen. 

 

Die Beklagte beantragt, 

die Klage abzuweisen.

 

Sie behauptet, der Kläger sei von ihr auf die Verpflichtung der Studen­ ten, ihre eigenen Studienvoraussetzungen  eigenverantwortlich beizu­ bringen hingewiesen worden und habe umgehend am 21.02.2012 nach Eingang seiner Bewerbung das „Merkblatt Ausländische .Bildungsnach­ weise" überreicht bekommen. Auf das Merkblatt, Anlage B 1 (Blatt 31 ff. d. A.) wird vollumfänglich Bezug genommen . Zudem sei der Kläger im Frühjahr durch die Mitarbeiterin der Beklagten, die Zeugin Christina Bauer, darüber informiert worden, dass die Beklagte nicht darüber ent­ scheide, wer eine Hochschulzugangsberechtigung bzw. eine Gleichwer­ tigkeitsanerkennung erhalte, sondern, dass die Klärung dieser Anerken­ nung Aufgabe des Studenten sei. 

 

Sie vertritt die Rechtsansicht, dass der Kläger ihr vorgespiegelt habe, das „International Baccalaureat" zu besitzen. Im Vertrauen darauf, dass er dieses durch das zuständige Ministerium anerkannt bekomme, habe sie - die Beklagte - ihn vorläufig eingeschrieben . Eine solche vorläufige Einschreibung diene ihrer Ansicht nach dazu, denjenigen Bewerbern, bei denen die Anerkennung bei Studienbeginn ·nach „hänge", gleichwohl den Studentenstatus zu geben. Sie praktiziere dies im Vertrauen darauf, dass in aller Regel im laufe des dann stattfindenden Schulbetr.iebes die Gleichwertigkeit bescheinigt werde. 

 

In Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die von den Parteien eingereichten Schriftstücke und Urkunden Bezug genommen. 

 

E N T S C H E I  D U N G S G R Ü N D E

 

 Die Klage ist im aus dem Tenor ersichtlichen  Umfang begründet.  

 

Dem Kläger steht aus § 1 Abs. 2 S. 3 des zwischen ihm und der Beklag­ ten geschlossenen Studienvertrages,  ein Anspruch auf Rückzahlung der Studiengebühren Bachelor sowie der Kosten für den Vorkurs Mathematik, mithin insgesamt 6.544,00 € zu. Der per Mail am 20.11.2012 erfolgte Widerruf der Immatrikulation des Klägers ist als Rücktritt der Beklagten vom Studienvertrag auszulegen. In § 1 Abs. 2 S. 2 des Studienvertrages wird vereinbart, dass die Universität für den Fall, dass die Zulassungs­ voraussetzungen  nicht erfüllt sind, innerhalb einer Woche nach Beginn der Vorlesungszeit von diesem Studienvertrag zurücktreten darf. Da der ausgesprochene Widerruf auf den Umstand gestützt wurde, dass eine Gleichwertigkeitsanerkennung  des IB-Zeugnisses des Klägers nicht möglich sei, wird klar, dass die Rechtsausübung erfolgt, weil eine Zulas­ sungsvoraussetzung für das Studium nicht erfüllt ist. Ein Student , der nicht mehr immatrikuliert ist, darf auch nicht weiter studieren. Der Wider­ ruf der Immatrikulation muss daher auch auf den vorliegenden Studien­ vertrag durch.greifen. Die im Studienvertrag gewählte Vereinbarung des Rücktrittsrechts für den Fall des Fehlens von Zulassungsvoraussetzun­ gen suggeriert dem Studenten, dass spätestens eine Woche nach Be­ ginn der Vorlesungen alle Studienzulassungsvoraussetzungen  erfüllt sind und dass dies explizit von der beklagten Hochschule geprüft wurde . Es wäre treuwidrig, wenn trotz erfolgtem Wi.derruf der Immatrikulation die Beklagte den Studienvertrag fortbestehen lassen wollte, da der Kläger ohne immatrikuliert zu sein nicht weiter studieren kann. Der Umstand, dass hier durch .die Beklagte die Wochenfrist nicht eingehalten wurde, ist hingegen irrrelevant , da die Beklagte sich anson·sten durch Nichtaus­ übung der ·ihr durch § 1 Abs. 2 auch konkludent auferlegten Verpflich:­ tung zum Rücktritt innerhalb einer Woche durch eine entsprechende Pflichtverletzung in Bezug auf das Überschreiten der Wochenfrist von ihrer Rückzahlungsverpflichtung befreien könnte. Der in dem Widerruf der Immatrikulation enthaltene Rücktritt vom Studienvertrag hat nach § 1 Abs. 2 S. 3, 2. Halbsatz zur Folge, dass die Beklagte dem Kläger die Studiengebühren sowie die Kosten für den Vorkurs Mathematik als eine weitere, für das Studium geleistete Zahlung zurückzuerstatten hat. 

 

Die weiter geltend gemachten Positionen wie die Aufnahmetestgebühr sowie die lnskriptionsgebühren für den Bachelor sind indes als Verwal­ tungsgebühren  im Zusammenhang mit dem Zulassungsverfahren  sowie der Einschreibegebühr anzusehen, welche nach der ausdrücklichen vertraglichen Regelung in § 1 Abs. 2 S. 3, letzter Halbsatz von der Rückzah­ lungsverpflichtung ausgenommen sind.

 

Entgegen der Rechtsansicht der Beklagten wurde der Kläger auch nicht etwa nur vorläufig zum Studium zugelassen und eingeschrieben, son­ dern ohne jedwede Einschränkungen. Dabei ist es irrelevant, wer sich um die Erlangung der Gleichwertigkeitsbescheinigung  kümmern musste, die im Regelfall durch den Studierenden bzw. Bewerber selbst beim Kul­ tusministerium hinsichtlich des IB beantragt werden muss, denn die Be­ klagte hat den Kläger ca. drei Monate als ordentlichen Studenten studie­ ren lassen, obwohl er die dafür erforderlichen Voraussetzungen nicht

 

erfüllte. Die Beklagte kann sich dabei auch nicht darauf .berufen, dass sie davon ausgegangen sei, dass der Kläger die Gleichwertigkeitsanerken­ nung in Kürze nachreichen werde, da auch sie zutreffend davon aus- geht, dass dies allein in der Prüfungskompetenz des Kultusministeriums liegt. Als private Hochschule ist die Beklagte vielmehr verpflichtet, zu gewährleisten, dass die Bewerber die Voraussetzungen für die Aufnah­ me in eine entsprechende Hochschule des Landes erfüllen. Nur unter dieser Voraussetzung darf eine private Hochschule gemäß § 91 Abs. 2 Nr. 2 des Hessischen Hochschulgesetzes überhaupt die staatliche Anerkennung verliehen werden. Eine Vorgehensweise wie hier, bei der fak­ tisch angeblich vorläufig auch ohne Vorlage einer entsprechenden Gleichwertigkeitsbescheinigung  ein Student zum Studium zugelassen wird, ist rechtswidrig. 

 

Über den zugesprochenen Betrag hinaus stehen dem Kläger weder Kosten für die Anschaffung von Fachbüchern noch Fahrtkosten zu. Der Er­ werb der Fachbücher beruht auf einer freien Entscheidung des Klägers. Dies gilt auch dann, wenn den Studenten gesagt worden sein sollte, sie könnten ohne diese Bücher nicht korrekt an den Unterrichtseinheiten mitarbeiten. Fachbücher können sowohl in öffentlichen als auch in priva­ ten Bibliotheken ausgeliehen oder auch auszugsweise kopiert werden; im Übrigen kommt diesen Büchern auch ein Wert zu, so dass der Kläger durch die Anschaffung der Bücher keinen Schaden hat.

 

Die Kos'ten für die 12 Wochenendheimfahrten  des Klägers zu seinen Eltern nach Hochheim am Main sind schon deshalb von der Beklagten nicht zu tragen , da es eine von seiner Studienentscheidung unabhängige Entscheidung des Klägers ist, ob er an den Wochenenden zu seinen Eltern fährt oder andere Unternehmungen macht. Die Fahrtkosten stellen insoweit ebenso wenig wie die angeschafften Fachbücher einen Scha­ den dar. Beide Positionen sind keine unfreiwilligen Vermögenseinbußen . 

 

Der Zinsanspruch folgt aus §§ 286, 288 BGB, da sich die Beklagte spä­testens ab dem 29.12.2012, als die gesetzte Zahlungsfrist vergeblich verstrichen war , in Verzug befindet.

 

Daneben hat die Beklagte auch die Kosten der vorger ichtlichen Rechtsverfolgung des Klägers zu_ erstatten . Diese berechnen sich angesichts  der nur teilweisen Begründetheit der Klage aus einem Gegenstandswert in Höhe von 6.544,00 € und ergeben unter Berücksichtigung einer 1,3 Geschäftsgebühr 603,93 €. 

 

Die Kostenentscheidung hat ihre Rechtsgrundlage in § 92 Abs. 1 ZPO, die Entscheidungen über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf§§ 708 Nr. 11, 709, 711 ZPO .