Tierhalterhaftung


Kollision eines Kfz mit einem Tier

Saarländisches OLG, Urteil vom 08.05.2012, Az.: 4 U 215/11

Wenn sich ein Kraftfahrzeug und ein Tier auf der Fahrbahn treffen, so haftet nicht stets ausschließlich der Tierhalter. Denn zum einen ist vom Halter des am Unfall beteiligten Kraftfahrzeuges der Unabwendbarkeitsnachweis zu führen, demzufolge dieser Unfall auch dem optimalen Kraftfahrzeugführer geschehen wäre; es ist insbesondere auch ein Verschulden im Hinblick auf § 3 StVO zu prüfen. Fuhr nämlich der Kraftfahrzeugführer nicht auf Sicht, was dem Halter zugerechnet würde, läge ein Mitverschulden vor, wenn dies (auch) kausal geworden sein kann. Ein Kraftfahrzeugführer darf nur so schnell fahren, dass er das von ihm geführte Fahrzeug noch vor einem plötzlich auf der Fahrbahn auftauchenden Hindernis stoppen kann. 

 

Das OLG hat bei dieser Konstellation eine Mithaftung des Kfz-Halters von 1/3 angenommen. 


 

 

Saarl. OLG, Urteil vom 08.05.2012 - 4 O 215/11 -66-

Urteil im Wortlaut:

 

4 u 215/11-66- 

9 0 56/10

LG Saarbrücken


 

Verkündet am 8.5.2012 gez. Bulle Justizbeschäftigter

als Urkundsbeamter

der Geschäftsstelle


 

 

 

 

 

SAARLÄNDISCHES OBERLANDESGERICHT Urteil

Im Namen des Volkes

 

 

In dem Rechtsstreit

 

 

 

 

XXXXXXXXXX, PXXXXXXXXXXXXXXXXXXX, XXXXXXXXXXXXXVorsit­

zXXXXXXXXXXXXXXXXr,

 

Beklagter und Berufungskläger,

 

- Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte Niehus und Ruppel, Gerbermühlstraße

9, 60594 Frankfurt am Main

 

gegen

 

RXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXX XXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXX

XXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXX,

 

Kläger und Berufungsbeklagter,

 

- Prozessbevollmächtigter: XXXXXXXXXXXXXXXXX, XXXXXXXXXXXXXXX, 6XXXXXXXXXXXXXXXXXX -

 

 

 

 

hat der 4. Zivilsenat des Saarländischen Oberlandesgerichts durch den Vorsitzen­ den Richter am Oberlandesgericht Göler sowie die Richter am Oberlandesgericht Dr. Dörr und Dr. Knerr auf die mündliche Verhandlung vom 17. April 2012

 

 

 

 

für R e c h t erkannt

 

 

 

 

 

1. Unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels wird auf die Berufung des Beklagten das Urteil der 9. Zivilkammer des Landge­richts Saarbrücken vom 11. Mai 2011 -9 056/10 -abgeändert, und wie folgt neu gefasst:

 

 

Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 5.747,68 EUR nebst Zin­sen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 26.2.2010 zu zahlen. Der Beklagte wird weiterhin verurteilt, den Kläger von vorgerichtlichen Anwaltskosten des Rechtsanwalts Hermann Wittebrock, Saarbrücken, in Höhe von 459,40 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszins­satz seit dem 5.6.2010 freizustellen. Im Übrigen wird die Klage abge­wiesen.

 

 

2. Von den erstinstanzliehen Kosten trägt der Kläger 54 %, der Beklagte

 

46 %. Die Kosten des Berufungsrechtszugs trägt der Kläger zu 42 %, der Beklagte zu 58 %.

 

 

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

 

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

 

5. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 9.821,53 EUR

 

festgesetzt.
 
 

Gründe:

 

 

 

I.

 

 

 

Im vorliegenden Rechtsstreit nimmt der Kläger als Insolvenzverwalter der Rudolf Maus GmbH den beklagten Verein als Halter wegen eines   Verkehrsun­ fallereignisses auf Schadensersatz in Anspruch.

 

 

ln den frühen Morgenstunden des 15.1.2010 war der bei der lnsolvenz­- schuldnerin angestellte Zeuge G. mit dem auf die lnsolvenzschuldnerin zu-­ gelassenen Kleinlaster der Marke lveco Daily, damaliges amtliches Kennzeichen SB-..., auf der Flughafenstraße L 108 in Fahrtrichtung Saarbrücken­ Fechingen unterwegs. Er stieß -dies steht im zweiten Rechtszug außer Streit - mit einem andalusischen Großesel zusammen, dessen Tierhalter der Beklagte war und der-dies steht im Berufungsrechtszug ebenfalls außer Streit-zuvor aus einer von dem Beklagten unterhaltenen Tierkoppel (der sog. "S--Ranch") ausgebrochen war, welche von der Unfallstelle etwa ca. 1 km (Luftlinie) entfernt war. Der Kleinlaster wurde erheblich beschädigt.

 

 

Der Kläger hat behauptet, dass Kraftfahrzeug habe im Eigentum der lnsol­venzschuldnerin gestanden. Der Esel sei von rechts in die Fahrbahn gesprungen. Der Führer des Kraftfahrzeugs habe die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h eingehalten und noch versucht, zu bremsen und dem Esel auszuweichen. Der Abstand zwischen Esel und Fahrzeug sei jedoch so gering gewesen, dass der Fahrer eine Kollision nicht mehr habe vermeiden können. Die Reparaturkosten in Höhe von 9.880,18 EUR und die Kosten des Ersatzwagens in Höhe von 341,27EUR seien sämtlich durch den vorstehend bezeichneten Verkehrsunfall bedingt und zur Wiederherstellung des früheren Zustandes auch erforderlich gewesen. 

 

 

Darüber hinaus hat der Kläger im ersten Rechtszug auf Erstattung der Gut­ achterkosten (1.098,87 EUR), der Wertminderung (1.200 EUR), einer Kostenpau­ schale in Höhe von 26 EUR und auf Ersatz vorgerichtlicher Anwaltskosten in Höhe von 703,80 EUR angetragen.

 

Der Kläger hat beantragt,

 

1.     den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 12.546,32 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 26.2.2010 zu zahlen;

2.     den Beklagten weiter zu verurteilen, an den Kläger vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 703,80 EUR nebst Zinsen zu zahlen. 

 

Dem ist der Beklagte entgegengetreten. 

 

Das Landgericht hat dem Zahlungsantrag zu 1) -unter Klageabweisung im Übrigen -in Höhe eines Betrages von 9.821,53 EUR stattgegeben und den Be­klagten weiterhin verurteilt, den Kläger von vorgerichtlichen Anwaltskosten in Hö­he von 651,80 EUR nebst Zinsen freizustellen. Auf den Inhalt der angefochtenen Entscheidung wird auch hinsichtlich der darin enthaltenen Feststellungen gern. § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen. 

 

 

Mit seiner hiergegen gerichteten Berufung erstrebt der Beklagte die voll-­

 

ständige Abweisung der Klage. 

 

 

Der Beklagte vertritt zunächst die Auffassung, das Landgericht habe das Eigentum der lnsolvenzschuldnerin am Kleinlaster rechtsfehlerhaft festgestellt. Insbesondere hätte das Landgericht das Schadensgutachten M. vom 2.2.2010 nicht als Tatsachengrundlage heranziehen dürfen: Mangels entsprechenden Vor­ trags des Klägers und mangels eines Hinweises des Gerichts sei es überra­ schend, das in Kopie zur Gerichtsakte gereichte Schadensgutachten zum Beleg für das Eigentum der lnsolvenzschuldnerin heranzuziehen. Vorsorglich bestreitet der Beklagte, dass die Begutachtung tatsächlich bei der lnsolvenzschuldnerin stattgefunden habe. Entscheidend für die Anwendung der gesetzlichen Vermu­ tung des § 1006 BGB sei es, wer zum Zeitpunkt des Verkehrsunfalls Besitzer des Fahrzeugs gewesen sei. Diese Frage könne weder durch Heranziehung des Schadensgutachtens noch der Reparaturrechnung beantwortet werden.

 

Dem Fahrer sei ein Verstoß gegen das Sichtfahrgebot anzulasten, da er in seiner Vernehmung gerade nicht davon berichtet habe, dass der Esel plötzlich und unvorhergesehen auf die Fahrbahn geraten sei. Überdies habe das Landge­ richt dem Beklagten verfahrensfehlerhaft vorgeworfen, den Unfall durch eine un­ zureichende Sicherung der Koppel verursacht zu haben.

 

 

Der Beklagte beantragt,

 

unter Abänderung des am 11.5.2010 verkündeten Urteils des Landgerichts

 

Saarbrücken- 9 0 56/10- die Klage insgesamt abzuweisen.

 

 

 

Der Kläger beantragt,

 

die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.

 

 

 

Der Kläger verteidigt die angefochtene Entscheidung. Hinsichtlich der wei­ teren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Berufungs­ begründung vom 19.7.2011 (BI. 197 ff. d.A.) sowie auf den Inhalt der Berufungs­ erwiderung vom 22.12.2011 (BI. 212 ff. d.A.) verwiesen. Hinsichtlich des Ergeb­ nisses der mündlichen Verhandlung wird auf das Protokoll Bezug genommen.

 

 

II.

 

 

 

A. Die zulässige Berufung ist teilweise begründet. Die angefochtene Ent­ scheidung hält einer Rechtskontrolle nicht stand, soweit das Landgericht dem Kläger Schadensersatz für den merkantilen Minderwert zugesprochen hat. Dar­über hinaus waren die dem Grunde nach gerechtfertigten Schadensersatzansprü­che in rechtsanaloger Anwendung des § 254 BGB um 1/3 zu kürzen, da sich der Kläger die Betriebsgefahr des Fahrzeugs, die aufgrund eines Verkehrsverstoßes des Fahrers gesteigert war, haftungsbeschränkend anrechnen lassen muss.

 

 

1. Der Beklagte ist unter dem rechtlichen Gesichtspunkt der Tierhalterhaf­tung (§ 833 S. 1 BGB) dem Grunde nach zum Schadensersatz verpflichtet: Der Esel wurde vom Beklagten unterhalten, der mithin i.S. des § 833 S. 1 BGB Tier­ halter war. Auch bestehen keine Zweifel daran, dass sich im Unfallereignis die typische Tiergefahr verwirklichte: Das aus der Unberechenbarkeitdes tierischen Verhaltens resultierende Risiko verwirklicht sich auch dann, wenn Weidetiere aus der eingezäunten Koppel ausbrechen und ein Verkehrshindernis im öffentlichen Straßenraum bilden (Senat, NJW-RR 2006, 893; OLG Düsseldorf, NJW-RR 1992, 475; MünchKomm(BGB)/Wagner, 5. Aufl., § 833 Rdnr. 14; Palandt/Sprau, BGB, 71. Aufl., § 833 Rdnr. 7). Auch liegen die Voraussetzungen des Haftungsaus­schlusses nach § 833 S. 2 BGB nicht vor, da der insoweit darlegungs- und be­weisbelastete Beklagte nicht vorgetragen hat, dass der Esel i.S. der Vorschrift dem Beruf, der Erwerbstätigkeit oder dem Unterhalt des beklagten Vereins zu dienen bestimmt war. Vielmehr hat der Beklagte sowohl im ersten Rechtszug (Kiageerwiderung S. 3; BI. 39 d.A.) als auch im Berufungsrechtszug (Berufungs­begründung S. 4, BI. 200 d.A.) die Verwirklichung der Tierhalterhaftung dem Grunde nach nicht in Abrede gestellt.

 

 

2. Unbehelflich sind die Angriffe der Berufung gegen die Aktivlegitimation des Klägers. Der Kläger kann sich hinsichtlich der Eigentümerstellung der lnsol­venzschuldnerin zumindest auf die gesetzliche Vermutung des § 1006 Abs. BGB berufen, da die Anknüpfungstatsachen bei verständiger Würdigung keinen anderen Schluss erlauben, als dass die lnsolvenzschuldnerin zum Zeitpunkt des Schadensfalles zumindest Besitzerin des Fahrzeugs war:

 

 

Der Fahrer des Fahrzeugs war bei der lnsolvenzschuldnerin beschäftigt und am Unfalltag mit dem Fahrzeug, welches einen Firmenaufdruck aufwies (GA BI. 93), "auf dem Rückweg von Ormesheim wieder in die Firma" (GA BI. 57). Dies lässt nur den Schluss zu, dass der Fahrer den Wagen in Erfüllung der ihm über­tragenen arbeitsvertragliehen Pflichten übernahm und mithin im Sinne des § 855 BGB Besitzdiener für die lnsolvenzschuldnerin war, die den Besitz über die zu ihrem Fuhrpark gehörenden Fahrzeuge ausübte. Dieser Beurteilung steht nicht entgegen, dass die Vermutung des§1006 Abs. 1 BGB nicht am Besitz des Kfz­ Briefes ansetzen darf (BGHZ 156, 310, Rdnr. 32; Palandt/Bassenge, BGB, § 1006 Rdnr. 2). Im vorliegenden Fall ist nachgewiesen, dass die lnsolvenzschuldnerin nicht nur den Kfz-Brief, sondern das Fahrzeug selber in ihrem Besitz hatte, da sie - dies belegt das Rahmengeschehen zum Unfallverlauf - über den Einsatz des Fahrzeugs disponieren konnte.

 

 

3. Allerdings muss sich der Kläger die gesteigerte Betriebsgefahr des Fahr­zeugs haftungsmindernd anrechnen lassen:

 

 

a) Eine unmittelbare Anwendung von § 254 Abs. 1, Abs. 3 S. 2 i.V.m. § 278

 

BGB scheidet aus, weil zum Zeitpunkt des Schadensfalles zwischen der geschä­digten lnsolvenzschuldnerin und dem Beklagten kein Schuldverhältnis bestand, aus dem Pflichten resultierten, zu deren Erfüllung der Fahrer eingesetzt wurde. Mithin ist das Mitverschulden des Fahrers nur über die Haftung der lnsolvenz­schuldnerin selber zu begründen: Die lnsolvenzschuldnerin muss als Halterin des Kraftfahrzeugs für die aus dem Betrieb des Kraftfahrzeugs resultierenden Schä­den einstehen; sie hat in ihrer eigenen Rechtsperson den Haftungstatbestand der Gefährdungshaftung verwirklicht, weshalb sich die lnsolvenzschuldnerin zumin­ dest die Betriebsgefahr ihres Fahrzeugs anrechnen lassen muss. Nach anerkann­ ten Grundsätzen kann die allgemeine Betriebsgefahr durch besondere Umstände erhöht werden. Als ein solcher haftungserhöhender Umstand kommt insbesonde­re die verkehrswidrige Fahrweise des Fahrers in Betracht, wenn sich der Ver­kehrsverstoß im Unfallgeschehen gefahrerhöhend ausgewirkt hat (vgl. BGH, Urt. v. 26.4.2005- VI ZR 228/03, NJW 2005, 1940; Urt. v. 11.1.2005- VI ZR 352/03, NJW 2005, 1351; Urt. v. 18.11.2003-VI ZR 31/02, VersR 2004, 392, 393; Urt. v. 27.6.2000 -VI ZR 126/99, VersR 2000, 1294, 1296; Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 41. Aufl., § 17 StVG Rdnr. 11).

 

 

b) Im zur Entscheidung stehenden Sachverhalt ist dem Fahrer ein Verstoß gegen das Sichtfahrgebot anzulasten.

 

 

aa) Gemäß § 3 Abs. 1 S. 4 StVO darf ein Fahrer nur so schnell fahren, dass er innerhalb der überschaubaren Strecke anhalten kann. Dieses Handlungs­ gebot ist auch bei Dunkelheit zu beachten: Nach wohl herrschender Auffassung muss ein Fahrer bei nächtlicher Fahrt mit unbeleuchteten Hindernissen rechnen (nach OLG Jena, Urt. v. 2.7.2002- 8 U 1247/01, NZV 2002, 464: selbst mit dem 

Auftreten einer "ganz und gar schwarzen Kuh") und hat seine Geschwindigkeit an die durch das Fahrtlicht begrenzte Sichtweite anzupassen.

 

 

bb) Zwar hat das Sichtfahrgebot zur Gewährleistung des Verkehrsflusses­ vor allem auf Autobahnen -eine Einschränkung erfahren: Der Kraftfahrer muss seine Geschwindigkeit nicht so weit herabsetzen, dass er auch solchen Hindernis­ sen, die aufgrund ihrer Kleinheit ungewöhnlich schwer zu erkennen sind (zu den­ ken ist hierbei etwa an ein auf der Autobahn liegendes Eisenteil) und mit deren Auftreten vernünftigerweise nicht zu rechnen ist, noch rechtzeitig ausweichen kann (zur Kasuistik Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 41. Aufl., § StVO 3 Rdnr. 25; Burmann/Hess/Jahnke/Janker, Straßenverkehrsrecht, 21. Aufl., § 3 Rdnr. 9).

 

 

Diese Einschränkung kommt im vorliegenden Fall nicht zum Tragen: Der Esel war kein kleines Hindernis. Auch ist bei Fahrten durch den ländlichen Raum stets mit dem Auftreten von (Wild-)Tieren zu rechnen, weshalb das Unfallgesche­hen nicht als außergewöhnliches Ereignis angesehen werden kann, mit dessen Auftreten ein situationsadäquat aufmerksamer Fahrer vernünftigerweise nicht zu rechnen brauchte.

 

 

cc) Allerdings ist das Sichtfahrgebot in einer weiteren Weise eingeschränkt: Der Fahrer muss seine Fahrweise jedenfalls nicht auf solche Hindernisse einrich­ten, die unvermittelt von der Seite her in die Fahrbahn geraten (BGH, Urt. vom 21.2.1985 - 111   ZR 205/83, NJW 1985, 1950). Es kann letztendlich dahinstehen, ob der Fahrer die Darlegungs- und Beweislast dafür trägt, dass das Hindernis plötzlich in die Fahrbahn gelangte (so OLG Jena, NZV 2002, 464). Im zur Ent­scheidung stehenden Sachverhalt deutet -entgegen dem Sachverhaltsverständ­nis des Landgerichts -nach der Aussage des Zeugen G. (GA BI. 72) nichts darauf hin, dass der Esel plötzlich in die Fahrbahn lief: Der Zeuge hat insoweit klar ausgesagt, dass er zur Fortbewegungsart des Tieres nichts sagen könne. Er kön­ne nur sagen, dass das Tier plötzlich vor ihm gestanden habe. Er habe das Tier erst gesehen, als er das Fernlicht eingeschaltet habe. Zuvor sei er mit abgeblen­detem Licht gefahren, weil es Gegenverkehr gegeben habe. Zur Fortbewegungsart könne er nichts sagen; er habe den Esel stehen sehen. ln der Zusammen­schau dieser Aussage findet sich kein belastbarer Anhaltspunkt für die Annahme, dass der Esel von der Seite her unvermittelt vor dem Zeugen auf die Fahrbahn sprang. Vielmehr hat sich gewissermaßen typisch die Gefahr verwirklicht, der das Sichtfahrgebot begegnen will: Der Fahrer stieß nur deshalb mit dem Tier zusam­men, weil er sein Fahrzeug innerhalb des Sichtfeldes nicht mehr rechtzeitig vor dem Esel anhalten konnte. Ein solcher Unfallverlauf ist in Anbetracht der dunklen Fellzeichnung des Esels durchaus nachvollziehbar, selbst wenn der Fahrer die vorgeschriebene Geschwindigkeit eingehalten hatte. Insoweit schließt sich der Senat der als obiter dictum vorgetragenen Einschätzung des Landgerichts an, dass dem Fahrer nur ein leichter Verstoß gegen das Sichtfahrgebot vorgeworfen werden kann.

 

 

 

4. Hinsichtlich der Schadenshöhe ist auszuführen:

 

 

a) Dem Kläger steht zunächst gern. § 249 Abs. 2 S. 1 BGB ein Anspruch auf Ausgleich der am Fahrzeug entstandenen Sachschäden zu. Diesen Scha­densersatzanspruch hat das Landgericht unter Berücksichtigung der unfallunab- hängigen Beschädigungen mit 7.155,39 EUR errechnet. Die zutreffenden Ausfüh­rungen werden hinsichtlich des Umfangs der nachweisbar unfallkausalen Beschä­digungen im Berufungsrechtszug nicht angegriffen. Demnach bedarf die Ent­ scheidung lediglich mit Blick auf die Haftungsquote einer Korrektur: Der zu leis­tenden Sachschadensersatz ermäßigt sich auf 4.770,26 EUR.

 

 

b) Weiterhin steht dem Kläger ein Anspruch auf Erstattung der vorprozessualen Sachverständigenkosten zu, da die Beauftragung eines Kfz­ Sachverständigen zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung geeignet war. So­weit die Berufung eine Herabsetzung des erstattungsfähigen Aufwandes erstrebt, weil nicht alle vom Sachverständigen begutachteten Schäden nachweisbar unfall­ursächlich waren, bleibt die Berufung ohne Erfolg: Es ist nicht dargetan, noch ist es plausibel, dass die Begutachtung der nicht unfallursächlichen Schäden höhere Sachverständigenkosten verursachte, nachdem der Sachverständige ausweislich seiner Rechnung vom 2.2.2010 sein Honorar auf der Basis eines Grundhonorars und zusätzlicher Aufwandspositionen in Gestalt von Fahrkosten und Büroaufwand errechnete. Allerdings war die Schadensposition um die Haftungsquote zu korr gieren (vgl. BGH, Urt. v. 7.2.2012 - VI ZR 249/11, NJW-Spezial 2012, 39; Urt. v. 7.2.2012- VI ZR 133/11, MDR 2012, 398), weshalb sich der zu erstattende Auf­wand auf lediglich 732,58 EUR reduziert.

 

c) Auch die Mietwagenkosten sind gemäß § 249 Abs. 2 S. EBGB zu erstat­ ten. Aus den zutreffenden Erwägungen des Landgerichts war auch diese Scha­densposition nicht wegen des eingeschränkten Umfangs der nachweislich unfall­ursächlichen Kosten zu beschränken. Nach den Ausführungen des Sachverständigen Dr. P. (BI. 133 d.A.) hätte die isolierte Reparatur der am Fahrzeug vorne links entstandenen Schäden eine Reparaturdauer von sieben Tagen erfor­dert. Diese Reparaturdauer deckt sich mit dem von der Geschädigten in Anspruch genommenen Mietwagen-Wochentarif. Unter Berücksichtigung der Haftungsquote waren weitere 227,51 EUR zuzusprechen.

 

 

c) Demgegenüber steht der Geschädigten kein Anspruch auf Ausgleich von merkantilem Minderwert zu: Der merkantile Minderwert kann nicht zugesprochen werden, wenn das Fahrzeug erhebliche Vorschäden besitzt (KG, ZfS 2007, 564; OLG Gelle VersR 1973, 717; Palandt/Grüneberg, aaO, § 251 Rdnr. 16; Hent­schel/König/Dauer, aaO, § 12 Rdnr. 25; Geigei/Knerr, aaO, Kap. 3 Rdnr. 65): Der merkantile Minderwert will den Nachteil ausgleichen, der dadurch entsteht, dass ein erheblich beschädigtes Kraftfahrzeug im Handel in aller Regel auch dann ge­ringer bewertet wird, wenn die Schäden ordnungsgemäß repariert wurden. Dieser, letztlich in der Beschädigung der Sachsubstanz wurzelnde wertmindernde Faktor hatte sich im zur Entscheidung stehenden Sachverhalt bereits durch die erhebli­ chen Vorschäden realisiert. Demgemäß wurde der streitgegenständliche, zeitlich nachfolgende Unfall für den merkantilen Wertverlust nicht mehr kausal.

 

 

d) Schließlich erhebt der Kläger mit Recht einen Anspruch auf Erstattung einer allgemeinen Unkostenpauschale, deren Höhe das Landgericht mit 26 EUR in Ausübung seines tatrichterlichen Ermessens rechtsfehlerfrei festgesetzt hat. Die Erstattungsfähigkeiteiner allgemeinen Unkostenpauschalesteht im Verkehrs­ unfallprozess außer Streit (Nachweise bei Geigel/Knerr, aaO, Kap. 3 Rdnr. 106 und Hentschei/König/Dauer, aaO, § 12 StVG Rdnr. 24). Unter Anrechnung der Haftungsquote verbleibt ein Betrag von 17,33 EUR.


e) Als Nebenforderung war aus Verzugsgesichtspunkten der tenorierte Zinsanspruch zuzuerkennen. Aus den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung steht dem Kläger ein Anspruch auf Freistellung von den vorpro­ zessual entstandenen Rechtsanwaltskosten zu, dessen Höhe - so das Landge­ richt zutreffend - nach dem Gegenstandswert der berechtigten Schadensersatz­ forderung zu berechnen ist. Aus der tenorierten Hauptforderung von 5.747,68 EUR resultiert ein materieller Kostenerstattungsanspruch von 459,40 EUR. Auch dieser Anspruch unterliegt der Verzinsung.

 

 

B. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10, § 713 ZPO. Die Revi­sion war nicht zuzulassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung besitzt und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitli­chen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 2 ZPO).

 

 

 

gez. Göler                                       Dr. Dörr                                       Dr. Knerr

Ausgefertigt: (Bulle)

Justizbeschäftigter

als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle