Fitnessstudio-Vertragsrecht

Umzug kein Grund für fristlose Kündigung

LG Göttingen vom 16.11.2012 - 6 S 139/11 - : Hinweis nach § 522 ZPO

Landgericht Göttingen                          Göttingen,  16.11.2012 Geschäfts-Nr.:

6 s 139/11

4 C 462/11 Amtsgericht Herzberg am Harz

 

 

 

 

Beschluss

 

In dem Rechtsstreit

 


Frau XXXXXXXXXXXXX,

XXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXX,


 

 

 

Beklagte und Berufungsklägerin


 

Prozessbevollmächtigte : Rechtsanw. XXXXXXXXXXX, XXXXXXXXXXXXXXXXXXXXX,

Geschäftszeichen: 187/11AB06

gegen

XXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXX,

Klägerin und Berufungsbeklagte

 

Prozessbevollmächtigte : Rechtsanw. Niehus & Ruppel, Gerbermühlstraße 9, 60594 Frankfurt/Main ,

Geschäftszeichen: 241/11 N05

 

 

 

hat die 6. Zivilkammer des Landgerichts Göttingen am 16.11.2012 durch die Vizepräsidentin des Landgerichts Marahrens, die Richterin am Landgericht Dr. Reich und die Richterin am Amtsgericht Cron beschlossen:

 

 

 

 

Es wird darauf hingewiesen, dass das Gericht beabsichtigt, die am 21.12.2011 gegen das am 29.11.2011 verkündete Urteil des Amtsgerichts Herzberg am Harz - Az. 4 C 462/11 - eingelegte Berufung der Beklagten gem. § 522 Abs. 2 ZPO auf ihre Kosten zurückzuweisen.

 

Der Beklagten wird Gelegenheit gegeben, binnen 3 Wochen ab Zugang dieses Beschlusses schrittsätzlieh Stellung zu nehmen.


 

 

Gründe:

 

I.

 

 

Nach vorläufiger Bewertung der Kammer auf der Grundlage des bisherigen Sach- und Streitstandes hat die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Das angefochtene Urteil beruht weder auf Rechtsfehlern , noch rechtfertigen die gemäß

§ 529 Abs. 1 ZPO zu Grunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung

 

513 Abs. 1 ZPO) . Das Amtsgericht Herzberg am Harz hat der Klage in der Hauptsache stattgegeben . Dies erfolgte im Ergebnis zu Recht.

 

Zutreffend ist das Amtsgericht Herzberg am Harz zu dem Ergebnis gelangt , dass die Beklagte den zwischen ihr und der Klägerin abgeschlossenen   Fitnessstudio-Vertrag nicht wirksam außerordentlich zum 31 .10.2010 gekündigt hat, so dass der Klägerin die noch ausstehenden Monatsbeiträge bis zum Ablauf der vereinbarten 24-monatigen Vertragslaufzeit zustehen .

 

1 .

 

 

Bei dem Fitnessvertrag handelt es sich um einen typengemischten Vertrag mit miet­ und dienstvertragliehen  Elementen (vgl. PalandttWeidenkaff , BGB, 69. Aufl. 2010, Einführung vor § 535, Rn. 36). Nach welchen Vorschriften typengemischte Verträge behandelt  werden , richtet    sich     nach    der    wesentlichen           Vertragsleistung (PalandttWeidenkaff , BGB, 69. Aufl. 2010 , Einf. vor § 535 , Rn. 36). Die Einordnung eines Fitnessstudiovertrages wird von der Rechtsprechung unterschiedlich beantwortet. Teilweise wird vertreten , dass die mietvertragliehen Elemente überwiegen und sich eine außerordentliche Kündigung daher nach § 543 BGB richtet (vgl. OLG Hamm NJW-RR 92, 242; OLG Brandenburg NJW-RR 2004, 273). Der Bundesgerichtshof zeigte sich bis vor kurzem hinsichtlich einer derartigen Einordnung des Vertrages skeptisch , ohne sich indessen zunächst festzulegen (BGH, Urt. v. 04.12 .1996, Az. XII ZR 193/95, dort Rn. 12; BGH, Urt. v. 23.10 .1996, Az. XII ZR 55/95 ; jeweils zitiert nach Juris) . Mit Urteil vom 08.02.2012 jedoch hat der Bundesgerichtshof nunmehr ausgeführt , dass es sich um einen    reinen              Gebrauchsüberlassungsvertrag      handele ,    soweit          keine      besonderen Leistungspflichten     des                       Setreibers    des           Fitness-Studios   mit       dienstvertraglichem Charakter bestehen und der Vertrag nur die Nutzung der Geräte und Räumlichkeiten vorsieht (Urteil des BGH v. 08.02.2012 -VIII ZR 42/94- zit. nach juris, hier insb. Rn. 18) Az. XII ZR 42/10 -). Dies ist vorliegend auch der Fall, wie sich aus Ziff. 1 der Vertragsbedingungen ergibt (vgl. BI. 10 Rs. d.A.), so dass jedenfalls im hier zu entscheidenden Fall der Vertrag über die Nutzung des Fitness-Studios der Klägerin als reiner Mietvertrag einzustufen ist.

 

 

2.

 

 

Der seitens der Beklagten in ihrer Berufungsbegründung vorgebrachten Rechtsansicht, dass auf Grund der von diversen Obergerichten festgestellten Unwirksamkeit entsprechender Klauseln bzw. Allgemeiner Geschäftsbedingungen zum Ausschluss eines Kündigungsrechts bei Wohnsitzwechsel auch im vorliegenden Fall auf einen wirksamen Kündigungsgrund wegen Wohnsitzwechsels zu schließen sei, vermag die Kammer nicht zu folgen . Denn die Unwirksamkeit entsprechender Klauseln führt allein dazu, dass die subsidiär anzuwendende gesetzliche Regelung, hier § 543 BGB zur Anwendung kommt. Die Unwirksamkeit entsprechender Allgemeiner Geschäftsbedingungen beruht im Übrigen regelmäßig auf dem ihnen innewohnenden kategorischen Ausschluss einer Kündigung in bestimmten Fällen, wohingegen im Rahmen der gesetzlichen Regelung eine InteressenabwägunQ stattzufinden hat.

 

Hiernach ist eine außerordentliche fristlose Kündigung nur aus wichtigem Grund möglich, der dann vorliegt, wenn dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Mietverhältnisses nicht zugemutet werden kann (§ 543 Abs. 1 S. 2 BGB). Die in diesem Sinne durch das Amtsgericht Herzberg am Harz vorgenommene InteressenabwägunQ ist nicht zu beanstanden.

 

Soweit der Kündigungsgrund aus Vorgängen hergeleitet wird, die dem Einfluss des Klägers entzogen sind und aus der eigenen Interessensphäre des Kündigenden herrühren, rechtfertigt dies nur in Ausnahmefällen die fristlose Kündigung (Urteil des BGH v. 11.11.2010 - III ZR 57/10 - zit. nach beck-online, hier insb. Rn. 9). Soweit die Beklagte hierzu vorträgt, dass es in ihrem Interesse liege, nur zu zahlen, wenn sie die Leistungen der Klägerin auch nutzen kann und ihre Kündigung insbesondere auch in ihrer dem Wandel unterliegenden persönlichen Freizeitgestaltung begründet sei, zeigt dies, dass es sich um dem Einfluss der Klägerin entzogene Vorgänge handelt. Selbst wenn diese der Klägerin bekannt sind und die Beklagte verlangt, dass dies deshalb auch in die Kalkulation der Klägerin einbezogen werden müsste, ergibt sich hieraus kein Ausnahmefall , der einen Kündigungsgrund für die Beklagte begründen kann. Denn dies gilt genauso für die Beklagte, die ebenso sehenden Auges bei Abschluss eines zweijährigen Vertrages das Risiko auf sich nimmt, die Leistungen auf Grund der Veränderung ihrer persönlichen Verhältnisse nicht mehr nutzen zu können. Nach ständiger Rechtsprechung des BGH hat der Kunde insoweit das damit verbundene Risiko selbst zu tragen (vgl. BGH a.a.O. Rn. 12 m.w.N.).

 

Im Rahmen der lnteressenabwägung ist auch zu beachten , dass die Beklagte bei Vertragsschluss auch eine kürzere Vertragslaufzeit zu einem höheren Monatsbeitrag hätte wählen können. Insoweit hat sie den finanziellen Vorteil nutzend die längere Vertragslaufzeit gewählt und damit einen Teil des daraus entstehenden Gewinns der Klägerin durch einen geringeren monatlichen Beitrag angenommen . Konsequenterweise muss sie auch die damit verbundenen Risiken in Kauf nehmen , die sich nun in ihrem Wegzug realisiert haben.

 

Auch ist das Amtsgericht im Ergebnis zutreffend davon ausgegangen , dass der Beklagten kein Kündigungsrecht aus § 313 Abs . 3 S. 2 BGB zustand. Auch bei Anwendung der Regeln über den Wegfall der Geschäftsgrundlage ist zu beachten , dass grundsätzlich jede Partei ihre aus dem Vertrag ersichtlichen Risiken selbst trägt (Urteil des BGH v . 30.04.2009 - I ZR 42/07 - zit. nach beck-online, hier insb. Rn. 71). Insbesondere kann derjenige , der die entscheidende Veränderung der Verhältnisse selbst bewirkt - vorliegend den Umzug - auf Grund dieser Änderung keine Rechte herleiten. Besondere Umstände , die eine Ausnahme hiervon rechtfertigen könnten, ergeben sich auf Grund der vorgenannten Erwägungen nicht - insbesondere im Hinblick darauf , dass die Beklagte sich die Übernahme des Risikos einer vor Zeitablauf eintretenden Veränderung der Umstände durch einen geringeren Monatsbeitrag auch hat "abkaufen" lassen.

 

3 .

 

 

Soweit die Beklagte die fehlende Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit der vorgerichtlichen Inanspruchnahme rechtsanwaltlicher Hilfe rügt, ist festzustellen , dass die Einschaltung eines Rechtsanwalts als letzter Versuch der gütlichen Einigung vor einer gerichtlichen Geltendmachung durchaus üblich ist und in der Regel zum allgemeinen Lebensrisiko des in Anspruch Genommenen gehört. Der sodann die Klage einreichende Rechtsanwalt will damit auch das Risiko eines nach Klageerhebung abgegebenen sofortigen Anerkenntnisses entgegenwirken und erfüllt damit die ihm auferlegten Fürsorgepflichten gegenüber seinem Mandanten.

 

  

II.

 

 

Darüber hinaus hat vorliegend die Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung, eine Entscheidung des Berufungsgerichts ist auch nicht aus den in § 522 Abs. 2 Nr. 3 ZPO genannten Gründen erforderlich.

 

Zum einen hat der Bundesgerichtshof für die hier vorliegende Konstellation entschieden , dass Mietrecht anzuwenden ist. Zum anderen handelt es sich bei der Frage, ob ein Wohnsitzwechsel als wichtiger Kündigungsgrund anzusehen ist, um eine reine Einzelfallentscheidung , die keine obergerichtliche Entscheidung notwendig macht.

 

 

 

 

III.

 

 

Vor einer abschließenden Beratung der Sache durch die Kammer erhält die Beklagte Gelegenheit , zu den vorstehenden Hinweisen innerhalb der oben genannten Frist Stellung zu nehmen.

 

 

 

 

 

Marahrens                                           Dr. Reich                                                     Cron

 

 

Anmerkung: Die Berufung wurde vom Nutzer mit Schriftsatz vom 05.12.2012 zurückgenommen; ihm wurden mit Beschluss des Landgerichts vom 07.12.2012 auch die Kosten des Berufungsverfahrens auferlegt.

 

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